Freitag, 2. November 2012

Faszination und Mythos "Der Watzmann" "Da Watzmo"






»Vor alter Zeit herrschte im Berchtesgadener Land ein König namens Watzmann. Er liebte weder Mensch noch Tier, galt als grausam und verschlagen, man sagt, er habe an der wilden Jagd seine größte Freude gehabt. Auch sein Weib und seine Kinder beteiligten sich an den Hetzjagden, sie verwüsteten lachend die Felder der Bauern, drangsalierten die wehrlosen Untertanen, sie lebten zügellos in Saus und Braus. Bei einer dieser Jagden zerstampfte König Watzmann mit seinem Pferd eine alte Frau mit ihrer Enkelin vor den Augen der Bauersleute, die die Mutter und das Kind sterben sahen. Da hetzte der König seine Meute auf das Paar, die es gierig zerfleischte; der König lachte, auch dann, als das sterbende alte Mütterlein ihn und seine Familie verfluchte. In diesem Augenblick erbebte die Erde, ein Sturmwind ohnegleichen erhob sich, Feuer sprühte aus dem Leib der Erde, und als dieser Spuk vorbei war, sah man König Watzmann, seine Frau und seine Kinder in Stein verwandelt, als ewiges Wahrzeichen herab ins Berchtesgadener Land schauend.« Das ist gerafft eine der Versionen jener Sage, die sich um König Watzmann gesponnen hat und deren Ursprung längst im Dunkel der Geschichte verschwunden ist. Allen Versionen ist eines gemeinsam: die Geschichte vom herzlosen, kinderreichen König, der die kreuzbraven Bewohner des Berchtesgadener Landes quält und schikaniert und dafür durch Gottes Gericht gestraft wird. Das Blut der verfluchten Familie soll schließlich sogar am Fuße des Berges in einem See, dem Königssee, zusammengeflossen sein.

Mythos Watzmann


Eine lokale Sage allein schafft noch keinen Mythos, der weit über die regionalen Grenzen hinaus wirkt und den Gegenstand dieser Sage weltberühmt macht. Der Watzmann ist weltberühmt, einer jener Alpenberge, die in fernen Kontinenten symbolhaft für dieses europäische Gebirge stehen, so wie das Matterhorn, der Eiger, die Drei Zinnen und der Montblanc. Der Watzmann ist diesbezüglich der niedrigste Berg: Der Montblanc verdankt seine Berühmtheit seiner Höhe, das Matterhorn seiner wunderbaren Gestalt (zumindest von Zermatt aus) und seiner tragischen  Erstersteigungsgeschichte, der Eiger dem Ruf seiner Nordwand, die als »Mordwand« bis heute Schauder hervorruft, die Drei Zinnen ihrem einzigartigen Erscheinungsbild von Norden. Und der Watzmann, wie wird ein lediglich 2713 m hoher Felsklotz zum Mythos? Die Antwort finden wir vielleicht auf den zahmen Buckeln oberhalb von Berchtesgaden, dem Watzmann gegenüber: auf der Marxenhöhe, der Kneifelspitze, dem Toten Mann, oder auch hinten in St. Bartholomä. Man muss einen ketzerischen Gedankengang wagen, hinwegschauen über die Vielfalt des Berchtesgadener Landes und dann sich den Watzmann, den gesamten Watzmannstock »wegdenken«, ihn sozusagen verschwinden lassen. Was bliebe dann übrig? Die Harmonie dieser einzigartigen Landschaft, so wie wir sie sehen und erleben und wie sie uns berührt,




 findet ihre Ursache im Massiv des Watzmanns, das diesen an sich lieblichen Talkessel beherrscht und ihm das Flair des Hochalpinen, ja sogar des Unnahbaren gibt. Der Watzmann ist, wie Hellmut Schöner geschrieben hat, »… so unverkennbar einmalig, dass er zum Symbol und Wahrzeichen eines Ortes werden konnte«. Dazu jedoch bedurfte es des Alpentourismus, der vehement im 19. Jahrhundert einsetzte, es musste hinausgetragen werden, was man geschaut hatte. Vieles spielt hier zusammen, die Geschichte Berchtesgadens mit der Eingliederung ins Königreich Bayern, die Anbindung durch die Eisenbahn, die Präsenz der Wittelsbacher, das Kurbad im nahen Bad Reichenhall, die Nähe der Mozartstadt Salzburg und manch anderes mehr. Mit den Touristen, die damals noch in die »Sommerfrische« fuhren, kamen schließlich auch die Bergsteiger, dafür sorgten auch der 1869 gegründete Deutsche Alpenverein und seine Publikationen. Und alle sahen den Watzmann, das Wahrzeichen des Berchtesgadener Landes, diese einzigartige Berggestalt voller Harmonie und Schönheit. Dazu kommt die »Insellage« des Watzmann-Massivs, die es gegen die anderen Gebirgsgruppen rund um Berchtesgaden abgrenzt. Der Königssee im Osten, das Tal der Ramsauer Ache im Norden, das Wimbachgries im Westen trennen den Gebirgsstock ab, lediglich im Süden verbindet ihn der 1774 m hohe Trischübelpass mit den nördlichsten Ausläufern des Steinernes Meeres. Und neben dem viel kleineren Lattengebirge ist der Watzmann das einzige Massiv der Berchtesgadener Alpen, das sich nur auf bayerischem Boden erhebt. Hellmut Schöner hat die makellose Gestalt des Watzmanns in seinem Buch »Zweitausend Meter Fels« unvergleichlich dargestellt: »Über diesem farben- und formenreichen






Fundament eines von Gebirgszügen umschlossenen Talkessels erhebt sich gleichmäßig aufsteigend – aus dem Tal des Königssees im Osten und dem Wimbachtal im Westen – ein rund tausend Meter hoher Sockel aus Nadelwäldern und Latschenhängen, dem gegen die Schönau zu die ebenmäßige Kuppe des Grünsteins vorgelagert ist. Darüber thront rechts der von einer ausgeprägten Kante in zwei Flanken gegliederte, zweigipfelige Koloss des Watzmanns (die im Hintergrund liegende Südspitze ist dort nicht zu sehen, wo der Watzmann sein markantes Profil zeigt), links die Watzmannfrau (oder Kleiner Watzmann) und zwischen beiden die Schar der fünf Kinder. Das bestechende Ebenmaß des Sockels wird fortgesetzt durch die gleichmäßige Neigung, mit der die Rücken des Watzmanns und der Watzmannfrau gegen die äußersten Ränder des Massivs über Königssee und Wimbachtal absinken.« Man kann von einer perfekten Symbiose sprechen:




Das sanft geschwungene Talbecken bedarf der Schroffheit des Watzmanns, der der unergründlich grünen Tiefe des Königssees an seinem Fuße, so wie der Fjord dank des Watzmanns das Geheimnisvolle erfährt. Schöner kann eine Gebirgslandschaft kaum geformt sein. Zur Symbolträchtigkeit und zum Wahrzeichencharakter gesellt sich die alpinistische Herausforderung. Der  Watzmann ist auch heute noch ein vergleichsweise schwieriger Berg, trotz der Sicherungen auf dem Grat zur Mittelspitze, dem höchsten Gipfel: Er verschließt sich dem »Normalbergsteiger« und ist gerade deshalb interessant und eine echte Herausforderung. Und da ist der Mythos Watzmann-Ostwand, eine der höchsten Felswände der Ostalpen. Sie ist voller abschreckender Geheimnisse auch deshalb, weil sie von Berchtesgaden aus nicht eingesehen werden kann: Dazu muss man schon hinter nach St. Bartholomä fahren oder die  gegenüberliegenden Gotzenberge besteigen. Die Besteigungsgeschichte der Ostwand mit ihren rund 100 Toten seit der Erstdurchkletterung 1881 trägt natürlich einen wesentlichen Teil zur Mythologisierung bei, das rückt den Watzmann in die Nähe des Eigers: Die Sensationspresse hat schon dafür gesorgt. Und ebenso Wolfgang Ambros. Sein Musical »Der Watzmann ruft« darf in seiner Wirkung keineswegs unterschätzt werden, es hat dem Mythos einen neuen Anstrich gegeben, nämlich den vom »Schicksalsberg«, unter dem und in dessen Banne sich der Mensch als ein Zwerg fühlt. Trotz aller Gaudi und Bleckerei. Es steht außer Zweifel, dass das Hocheck (2651 m), der nördlichste der drei Hauptgipfel im Watzmanngrat, schon sehr früh von Gamsjägern und wohl auch Hirten bestiegen wurde. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts sollen dort oben Bildstöcke aufgestellt worden sein, die Chroniken berichten, dass das Hocheck ein viel besuchter Wallfahrtsort war. 1800 erkletterte bei Vermessungsarbeiten der Slowene Valentin Stanig den höchsten




Watzmanngipfel, die Mittelspitze (2713 m), die einer lokalen Sage nach der Landungspunkt der Arche Noah gewesen sein soll. Als erster Tourist erreichte Peter Carl Thurwieser 1832 die Südspitze (2712 m, früher auch Schönfeldspitze) über die Südwestflanke vom Wimbachgries aus, diese Route dient heute zumeist als Abstieg nach der Überschreitung des Watzmanngrates oder der Durchsteigung der Watzmann-Ostwand. 20 Jahre später standen die großen Bergführer Johann Grill (der »Kederbacher«) und Johann Punz (der »Preisei«) als Erste auf dem Kleinen Watzmann, und erst 1868 gelang den beiden Ramsauern mit A. Kaindl die Überschreitung des gesamten Watzmanngrates vom Hocheck bis zur Südspitze. 1881 durchkletterte der
»Kederbacher« mit dem Wiener Otto Schück die Ostwand hin zur Mittelspitze, die »Bartholomäwand«, ein Meilenstein in der Geschichte des Alpinismus. Bezüglich der weiteren Erschließungsgeschichte finden sich Namen wie Ludwig Purtscheller und Eugen Guido Lammer (beide an den Watzmannkindern erfolgreich), auch der Sextener Bergführer Sepp Innerkofler hat an der Watzmann-Jungfrau (4. Kind) Spuren hinterlassen. Ab 1920 war es vor allem der Berchtesgadener Josef Aschauer, der schwierige Anstiege in den Wänden fand; in den 30er-Jahren rückten die Südabstürze der Watzmannkinder in den  Blickpunkt, wir lesen Namen wie Fritz Bechtold, Toni Kurz oder Anderl Hinterstoisser. Legendär wurde Hermann Buhls im Februar 1953 gemeisterte Winteralleinbegehung des »Salzburger Wegs« in der tief verschneiten Watzmann-Ostwand, wobei erst 1931 die komplette Winterüberschreitung des Watzmanngrates gelungen war. Natürlich ist die Erschließungsgeschichte am Watzmann keineswegs abgeschlossen, das kann sie auch gar nicht sein.




Neuland suchende Kletterer werden immer Möglichkeiten für Schwierigstes finden, vor allem an den kompakten Westabstürzen der  Watzmannfrau, warum aber auch nicht in den großen Wänden wie an den Watzmannkindern hinab nach Süden oder gar in der Ostwand? Die Gratüberschreitung Abgesehen von der Ostwand: Die Überschreitung des Watzmanngrates vom Hocheck über die Mittelspitze zur Südspitze ist das bergsteigerische Ziel in den Berchtesgadener Alpen, noch verlockender und noch anziehender als eine Ersteigung des Hochkönigs. Die Ursachen liegen im Mythos dieses Berges, in seiner Gestalt, in seinem Ruf; andererseits ist die lange Gratüberschreitung eine Herausforderung an jeden trittsicheren und gewandten Bergsteiger, auch deshalb, weil die Kletterei 2000 Meter über dem Königssee auf der luftigen Schneide wirklich als schön bezeichnet werden kann. 600 Meter Drahtseil erleichtern die schwierigsten Stellen des rund eineinhalb Kilometer langen Grates, dennoch spüre ich ein gewisses Unbehagen angesichts der Wirkung, die die Bewertung mit dem  Schwierigkeitsgrad I haben kann. »I« heißt unschwierig und bezieht sich auf die freien Kletterstellen bei optimalen Verhältnissen. Aber: Die Tage, an denen man diese optimalen Verhältnisse vorfindet, sind nicht gerade häufig, schon ein bisschen Altschnee kann dazu zwingen, von der Ideallinie abzuweichen. Dazu kommen die Länge und die permanente Ausgesetztheit, und wer alles an einem Tag hinter sich bringen will, muss bedenken, dass schon allein zum Hocheck 2000 Höhenmeter zu bewältigen sind. Die Tour sollte nur von Bergsteigern unternommen werden, die in diesem Gelände »zu Hause« sind, die dabei keineswegs an die Grenzen ihres Könnens stoßen, sondern überlegen sind und über Reserven verfügen. Dann, und natürlich nur bei sicherstem Wetter, erwartet die Bergsteiger ein Traum, ein Gang hoch über dem Berchtesgadener Land, der nicht seinesgleichen hat. Die meisten Grataspiranten nächtigen vernünftigerweise im Watzmannhaus auf dem 1928 m hohen Falzköpfl, das man von der Wimbachbrücke oder vom Königssee über Kühroint in 3½ bis 4 Stunden erreicht. Der Aufstieg zum Hocheck ist einfach und ideal zum Warmgehen, kurz unterm Gipfel mit der kleinen Unterstandshütte erleichtert ein Drahtseil den »Hochstieg«, nach zwei Stunden etwa ist die Ouvertüre gemeistert, es beginnt der alpinistische Ernst. Weitere zwei Stunden bis zur Südspitze dürfen sehr wohl veranschlagt werden, und es gilt einiges zu berücksichtigen: An den Drahtseilstellen kommt es vor allem an Sonntagen zu regelrechten Staus, das ausgesetzte Gelände, vor allem zwischen Hocheck und Mittelspitze, erlaubt keine Drängelei und auch kein Vorbei klettern, man muss warten.




Zugleich ist ein wachsamer Blick auf dasWetter obligat,Wetterstürze sind in der Regel mit einem empfindlichen Rückgang der Temperatur, mit stürmischem und kaltem Wind und mit Gewittern verbunden, die den Grat zu einer wahren Hölle werden lassen. Es gibt keinerlei Fluchtmöglichkeiten, vor Notabstiegen in die Ostwand oder nach Westen in die ungegliederte Steilflanke hinab ins Wimbachgries wird dringend gewarnt; bei den ersten Anzeichen einer Wetterverschlechterung muss man entweder umkehren oder aufs Tempo drücken, alles andere hat keinen Sinn. Rund vier Stunden nach dem Aufbruch am Watzmannhaus (vom Tal aus nach etwa acht Stunden!) kann man auf der Südspitze ausschnaufen, man hat einen Himmelsgang hinter sich gebracht, der begeistert und fasziniert zugleich. Aber noch bedarf es der Konzentration, denn der Abstieg hinab zur Wimbachgrieshütte ist zwar markiert und an manchen Stellen ebenfalls durch Drahtseile erleichtert, er verlangt aber dennoch leichte Kletterei und Trittsicherheit im bisweilen brüchigen Gestein, zudem Orientierungsvermögen, vor allem, wenn diese steile Flanke eingenebelt werden sollte. Bei guten Verhältnissen schafft man das in 2½ bis 3 Stunden, 1400 Höhenmeter im nicht einfachen, auch  unübersichtlichen Gelände sind allerhand: Man tut durchaus gut daran, sich bereits zuvor im AV-Führer anhand des Fotos ein Bild zu machen. Bleibt letztlich der 9 Kilometer lange, aber gefahrlose Talhatscher das Wimbachgries hinaus, der verlangt noch einmal zwei Stunden bis zum Parkplatz Wimbachbrücke. Ein ausgefüllter Tag also, auch wenn man am Watzmannhaus sehr früh aufgebrochen ist. Aber ein Tag im Hochgebirge, der sich unauslöschlich einprägen wird. Und der dem konditionsstarken Könner vielleicht Lust macht auf eine Steigerung, auf die Ostwand über St. Bartholomä. Die »Bartholomäwand« Seit dem tödlichen Absturz von Christian Schöllhorn am Pfingstmontag 1890 an der später nach ihm benannten »Schöllhornplatte« des Kederbacherweges hat es bei Ostwand-Begehungen rund einhundert Todesopfer gegeben, wobei längst nicht alle in der Ostwand ums Leben gekommen sind, sondern viele auch auf dem Watzmanngrat oder bei Abstiegsversuchen hinab ins Wimbachgries. Diese Zahl mag vor allem den Nichtbergsteiger entsetzen, denn welcher Berg oder welche Wand sind es wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen? Vielleicht deshalb, weil die Watzmann-Ostwand zu den höchsten Felswänden der Ostalpen zählt? Schon das macht sie zum Ziel unzähliger Bergsteiger, 500 bis 600 Besteigungen pro Jahr sind heutzutage durchaus üblich.




Eine Durchkletterung der Watzmann-Ostwand hat einen ungemeinen Erlebniswert, auch deshalb, weil die Wand »schön« ist, schön wie der Watzmann überhaupt und eine schöne Kletterei dazu. Auch das verlockt. Den Watzmann-Ostwand-Begeher erwartet zwar eine Klettertour, aber auf dem »Berchtesgadener Weg« zum Beispiel übersteigen die Schwierigkeiten kaum den dritten Grad; der Anstieg bewegt sich also in einem klettertechnischen Bereich, der für immer mehr Bergsteiger »machbar« erscheint, und nicht nur das: Viele Begehungen auf dem Berchtesgadener Weg erfolgen seilfrei, auf den anderen Routen werden oft nur die schwierigen Seillängen gesichert. Daher kann Steinschlag, und der ist häufig in der Ostwand, schnell katastrophal werden. Franz Rasp, dereinst bester Kenner der Watzmann-Ostwand, Herausgeber des Ostwand- Führers und selbst – bei seiner 295. Begehung! – Opfer der Wand, hat seinerzeit auf noch zwei Aspekte aufmerksam gemacht: Auf keine andere Wand der Alpen wird ähnlich gezielt hingewiesen, so bei den Bootsfahrten über den Königssee, die jährlich rund 800.000 Menschen erleben. Zugleich, und das liegt in den menschlichen Abgründen verwurzelt, ziehen Todesopfer an, reizen deren vergebliche Besteigungsversuche zur Nachahmung,von der man selbstverständlich annimmt, dass sie erfolgreich verläuft und einen ein ähnliches Schicksal nicht ereilt. Das alles summiert sich zum »Ziel« Watzmann-Ostwand, zur für so viele Bergsteiger unwiderstehlichen Herausforderung. Die 1800 Meter hohe steinerne Riesentreppe über St. Bartholomä und über der Eiskapelle, die irgendwer mal prosaisch eine »Zyklopenmauer« genannt hat:




Sie kann die Krönung eines Bergsteigerlebens sein. Nichts spricht dagegen,  diese Wand mit einem Führer zu durchklettern, aber sehr viel, sie zu unterschätzen und schlecht ausgerüstet anzugehen. Die Biwakschachtel zu Beginn der Gipfelschlucht sollte in der Planung keine Rolle spielen, und es muss verinnerlicht werden, dass der kürzeste Abstieg hinab ins Wimbachgries führt und nicht über den langen Watzmanngrat zum Watzmannhaus. Man darf sich auch nicht einen Albert Hirschbichler als Vorbild für Relationen nehmen, der nachmittags mit Turnschuhen den Berchtesgadener Weg vom Wirtshaus Bartholomä in 2 Std. 10 Min. und 12 Sekunden durchraste, damals im Herbst 1988 – einzig zum Training. Die übliche Begehungszeit für ein eingespieltes Zweierteam liegt nach wie vor bei sechs bis acht Stunden, gute Verhältnisse vorausgesetzt.Und noch etwas gilt es zu beachten: In der Ostwand lässt sich die Wetterentwicklung nicht beobachten, das Unheil in Gestalt  von schlechtem Wetter kommt in der Regel von Westen, und dorthin bleibt der Blick versperrt. Auch deshalb mussten zahlreiche Bergsteiger an Erschöpfung sterben, nachdem sie die Ostwand bereits durchklettert hatten und dann oben am Grat einem Wettersturz mit Eis, Schnee und Sturm nichts mehr entgegenzusetzen hatten.




Die Herausforderung bleibt jedoch bestehen, auch deshalb, weil eben die Ostwand diese Faszination ausstrahlt und weil sie bei stabilem Wetter und sicheren Bedingungen in der Wand eine wunderschöne Unternehmung ist. Sie wurde oft schon mit einem Gang über eine gut gestufte Himmelsleiter verglichen, und das mag man durchaus so empfinden, wenn man über die erforderlichen Voraussetzungen verfügt. Aber so ist es ja generell mit dem Bergsteigen, warum soll es ausgerechnet am Watzmann anders sein. Am legendären Watzmann, dem Wahrzeichen des Berchtesgadener Landes, diesem Berg-Mythos, dem schon so viele verfallen sind und dem auch weiterhin sich die Bergsteiger ausliefern werden.

Die Erstersteigung der Watzmann- Mittelspitze im Jahr 1800

»Schon der Anfang war böse, denn ich mußte über eine große steile Platte hinabglitschen, an deren Ende mich nur ein sehr kleiner Vorsprung vom Sturze in die unermeßliche Tiefe errettete. Dann mußte ich über ähnliche Platten wieder in die Höhe steigen, wo nur ein kleiner Fehltritt die vorige Folge nach sich gezogen hätte. Ich überstieg eine gefährliche Stelle, eine Kluft nach der andern; dachte auf besser werden, und es kam nur Schlimmes nach. Bald mußte ich mich auf einen schneidigen Rücken sizend weiter bewegen, bald wie in Lüften schwebend an steilen Wänden dahinklettern.… Oft brauchte es beinahe übermenschlichen Muth, um nicht ein Raub der Zagheit zu werden; denn meistens mußte ich auf den scharfen Rücken auf allen 4 dahinkriechen, wo links und rechts tausendfach verderbender Abgrund war.…ich befand mich…im tiefsten Punkte zwischen den 2 Wazmann Spizen. Da ward ich etwas überrascht. Eine gegen Süd hinlaufende Kluft von größter Tiefe war vor mir und trennte eine Bergmasse von Millionen Centnern von dem festen Rücken. An einem Orte ist ein sehr schmales Steinbrückchen über diese Kluft, und mir blieb kein anderer Weg übrig, als diese morsche Brücke zu passiren und weiter oben, wo die Verbindung grösser wird, wieder auf festes Land zu kommen. Wirklich sezte ich mit Schichternheit über diese Kluft, weil die getrennte Masse mir zum Abfall so reif schien, daß schon das unbedeutendste Gewicht sie zum Sturze bringen könnte! Einst wird dieser Bergteil hinab auf die südliche Seite des Kleinen Wazmanns stürzen und Schrecken verbreiten. Nachdem ich wieder auf den festen Theil gekommen war, ward der Weg sehr steil, und mit größter Anstrengung erreichte ich über loses Gestein den höchsten Punkt des Wazmanns. Ein Häufchen verwitterten Kalksteines ist der einzige Punkt, wo man sich aufhalten kann, so klein ist der Platz auf diesem Spize ... « (Aus dem Bericht von Valentin Stanig, 1802)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen